Archiv/Das Blut muß schwingen

"Die Kitzinger" vom 07.02.03

Das Blut muss schwingen

Münchner Professor stellt auf dem Autohof Strohofer seine Ideen zur Vermeidung von Sekundenschlaf am Steuer vor –
Fernfahrer sollen für ihre Gesundheit trainieren

Portrait

Prof. Dr. Rocque Lobo (mitte) in Aktion, mit Dipl. Sozialwirt Harald Sommer (li)
und dem Hersteller der shake-spear® Geräte für das Aktivierungstraining, Eduard Haider (re)

Der Sekundenschlaf ist der Alptraum eines jeden LKW-Fahrers, lange Lenkzeiten, ständiger Zeitdruck und keine Bewegung sind die Ausschlag gebenden Ursachen für die Erschlaffung des Körpers. Prof. Dr. Rocque Lobo vom Institut für Gesundheitspädagogik der Fachhochschule München hat in den letzten fünf Jahren nach Mitteln gegen den gefährlichen Sekundenschlaf geforscht. Gestern stellte er seine Ideen LKW-Fahrern auf dem Autobahnrasthof von Toni Strohofer in Geiselwind vor.

Des Rätsels Lösung liegt in der ständigen Schwingung des Blutkreislaufs im menschlichen Körper. Wie Professor Lobo herausgefunden hat, sinkt durch zu langes Sitzen am Steuer die Durchblutung im Körper. Der Blutkreislauf schwingt nicht mehr synchron und auch die Rückenmuskulatur schwächt ab. Der Körper befindet sich im Ruhezustand und ist besonders labil am Nachmittag zwischen 13 und 15 Uhr und in der Nacht zwischen 3 und 6 Uhr. „In diesen Zeiten passieren auch die meisten Unfälle durch den Sekundenschlaf“, erklärt Rocque Lobo. Mit seinem „Vital-Sitz“, wie Lobo seine Erfindung nennt, soll nun die Abschlaffung des Körpers und die asynchrone Schwingung des Blutkreislaufes verhindert werden. Ein Sekundenschlaf ist so kaum mehr möglich. Im Sitz sorgen zwei bewegliche Elemente links und rechts der Wirbelsäule dafür, dass der Körper je nach Fahrsituation angesprochen und die Fahrdynamik auf die Rückenmuskulatur übertragen wird. Das Blutgefäßnetz im Körper soll so immer in Schwingung gehalten werden.

Mit BMW entwickelt

Den Vitalsitz hat Lobo nach vierjähriger Forschungsarbeit in Zusammenarbeit mit BMW entwickelt. Das Problem dabei ist, dass BMW keine Laster herstellt. Der Bayerische Autohersteller überlege nun, den Sitz nur in sein Flaggschiff, den 7er, einzubauen. „Damit ist aber weder LKW-Fahrern, Lieferanten oder Taxifahrern geholfen“, meint Lobo. Bis sein Sitz serienreif ist und auch von anderen Herstellern eingesetzt wird, können noch Jahre vergehen.

Lobo hat deshalb auch ein Sofortprogramm für LKW-Fahrer entwickelt. Für Büroangestellte würden bereits tägliche von den Krankenkassen geförderte Gesundheitsprogramme für die Stärkung der Rückenmuskulatur und der Blutkreislaufregulation angeboten. Für Brummifahrer gebe es so etwas nicht. „Obwohl Arbeitgeber und Krankenkassen laut Paragraph 20 des Sozialgesetzbuches dazu verpflichtet wären“, sagte Lobo. Im Autohof Strohhofer versuchte der Wissenschaftler jetzt, LKW-Fahrer davon zu überzeugen, in ihren Pausen oder am Abend vor der Nachtruhe Bewegungs- und Blutkreislauftrainings zu absolvieren.

Mit speziellen Bioswing-Therapiegeräten könnten die Truckerfahrer gegen chronische Bewegungsarmut, monotone Körperhaltung und den damit verbundenen Mangel an Nervenreizen ankämpfen. Durch die schwingenden Geräte würden reize im Körper aktiviert, die verschiedene Muskelgruppen im Körper ansprechen. Dadurch würden die Reaktionszeit des Bewegungsapparates, Koordination und Körperhaltung verbessert. Gleichzeitig werde die Muskulatur in Armen, Beinen, Schultern und der Wirbelsäule gekräftigt. In Geiselwind könnte ein erster Trainingsraum für LKW-Fahrer entstehen, meinte Lobo. Toni Strohofer sei nicht abgeneigt, sagte der Professor.

Ziel der gestrigen Aktion war es aber vor allem, die LKW-Fahrer zu motivieren, etwas für ihre Gesundheit zu tun. „Wir mussten aber feststellen, dass die Brummifahrer einfach keine Zeit oder wenig Interesse haben.“, gestand der Professor. Sie können das Gesetz, das für Arbeitnehmer gemacht ist, so gut wir gar nicht nutzen.

Darum ist es beabsichtigt, die Spediteure und die Krankenkassen dazu zu gewinnen, den Fahrern während der Arbeit Zeit für solche Gesundheitsübungen einzuräumen. Mit den jetzt gesammelten Erfahrungen könnte auch mehr Druck auf die Politik ausgeübt werden.

Beim Fernfahrer-Stammtisch der Autobahnpolizei warb Professor Lobo gestern Abend nochmals für sein Bewegungsprogramm.

Geiselwind (lmp)